“Ich gehe rückwärts, weil ich in der Zeit zurück gehe.” Ihre Worte setzt Agnes Varda, prägende Vertreterin der französischen Nouvelle Vouge, in die Tat um. Rückwärts geht sie eine Mole entlang, rückwärts schreitet sie auf das Meer zu. Man muss ihre Biografie kenne, ihre Kunst und ihre Filme, um in dem fein verwobenen Geflecht aus spielerisch nachinszenierten Szenen, historischen Filmaufnahmen und fotografischen Dokumenten Reales, Interpretiertes und Erfundenes zu unterscheiden. Konstruktion und Rekonstruktion verschmelzen, nicht aus manipulatorischem Kalkül, sondern als bewusste Verbildlichung des Erinnerten. Von ihrem griechischen Vater erzählt die Varda. Doch war es nicht die Mutter, welche griechischer Abstammung war? Fotos, alte Billets, Karten und Bilder ergeben “Die Strände von Agnes“. Wie der Strand sind diese Partikel, die sich aus Bruchstücken zu einem Ganzen zusammensetzende Erinnerung. Das Suchen und Finden, Aufspüren und Nachspüren ist essentieller Bestandteil der Kunst Agnes Vardas. Die in der Provence als mittleres von fünf Geschwistern aufgewachsenen Künstlerin drehte mit 26 ihren ersten Film “La Pointe Courte” nach einer Erzählung William Faulkners. 1963 gewann sie mit “Cleo” den französischen Kritikerpreis. Es folgten zahlreiche Auszeichnungen. Für “Die Strände von Agnes” erhielt die Varda den französischen Filmpreis Cesare. Doch mehr als große Ereignisse interessieren die selbstironische Dame, die sich als eine der ersten Autorenfilmerinnen mit dem Vietnamkrieg und dem Feminismus auseinandersetzte, die scheinbar nebensächlichen, vergänglichen Augenblicke ihrer Kindheit und Familienzeit. Die Geschwister, unter denen sie sich erst als Nesthäkchen, dann als Ältere sah, den Ehemann und die Eltern erscheinen auf Fotografie und nachgespielt von Darstellern. Meist sind es Laien, dabei hat Agnes Varda zahlreiche Prominente in ihren Werken inszeniert: Jane Birkin und Jim Morrison, Andy Warhol und Catherine Deneuve.
An “Die Strände von Agnes” kehren die Aufnahmen immer wieder zurück. Leicht und verspielt fühlen sich die Erinnerungen der Künstlerin an, die in bunten, wehenden Gewändern barfuss durch den Sand läuft. Dennoch bleibt eine sanften Schwere, welche dieses erfühlte Leben vermittelt. Kaum kann man glauben, dass ihre Kindheit so malerisch war. Weil man es glaube will, weil es schön anzusehen ist, bleibt leise Trauer über die Vergänglichkeit des Schönen. Wer sie ist, die lächelnde Dame, erfährt man nicht. Doch dies ist nicht Sinn der “Strände von Agnes”. “Die Strände von Agnes” sollen erheitern. Mit nostalgischer Süße von einem Leben erzählen, dass vielleicht nicht exakt so gewesen ist, aber so gefühlt wird. So sind “Die Strände von Agnes” doch keine Autobiografie, sondern ein bewusstes Spiel mit der Vergangenheit. “Das soll mein Porträt sein.”, scherzt Agnes Varda. Da weht ihr der Meereswind den Schal über das Gesicht. Ähnlich ist ihr sehr persönliches Filmporträt “Die Strände von Agnes”. Die Konturen eines markanten Charakters unter einem bunten Schleier. Ein Spaziergang an “Die Strände von Agnes” gibt ein Gefühl für die eigensinnige Person Agnes Varda.
Titel: Die Strände von Agnes
Start: 10. September
Regie und Drehbuch: Agnes Varda
Mit: Agnes Varda
Verleih: film Kino text